Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Bekannte
Es ist Herbst, die Kastanie auf dem Platz vor unserem Haus hat die letzten Blätter abgeworfen. Kahl greifen ihre Äste in den fahlen Morgenhimmel. Der Blick auf die Kirche über dem Platz ist wieder frei, golden glänzen die Zeiger, Striche und Ziffern, die die frühe Stunde des Tages anzeigen.
Wir werfen unser Leben weg, wir verschwenden unsere Zeit an andere Menschen. Wir geben sie hin für die niedere Lust des Körpers, für schlechte Orgien und unnütze Geschäfte, sagt der römische Philosoph Seneca. Ich hörte ihn auf Spotify beim Autofahren. In Gossau drückte ich auf Play und hörte «Von der Kürze des Lebens und wie wir es gebrauchen können».
Seneca legt dar, dass kaum ein Mensch auf der Welt vernünftig mit der kostbaren Zeit seines Lebens haushält. Wir lassen uns einspannen für Zwecke, die nicht unsere sind. Wir streben nach Erfolg und merken mit den Jahren nur, dass keine Minute, die wir ihm geopfert haben, das Opfer wert war, weil wir sie nicht für uns genutzt haben. In unnützen Liebesnächten, im Taumel der Begierde geht unser Leben unter. Wir vergeuden unsere Zeit, als würden wir ewig Leben, sagt er. Und wir tun es in einer Heftigkeit, denke ich mir, als wären wir nur für einen einzigen Augenblick hier. Und was ist die Folge davon? Hinter uns liegt unser Leben als Abfallhaufen von vertaner Zeit, als gähnender Abgrund der Bedeutungslosigkeit, sagt Seneca in Brüttisellen und mir wird es zu viel.
Ich drücke auf Stopp, der Mann, denke ich, stiehlt mir meine Zeit. Aber die Frage bleibt: Wozu lebe ich? Ist Zeit mit anderen vertane Zeit?
Nein, denke ich, nein, mein lieber Seneca: Andern begegnend, begegne ich mir selbst. Für mich sorgend, kann ich auch für andere sorgen. Dieses Leben ist es Wert, dafür dankbar zu sein und sich nützlich zu machen, bevor der Herbst uns als letzte Blätter am Baum wegträgt, wenn du den Tod schon bemühen willst, mein lieber Seneca. Aber vorher wollen wir uns an den schönen Dingen freuen! Tatsächlich sah ich nach Brüttisellen und vor Niederbipp manchen schönen Baum in der Flamme des Herbstes und versank dazwischen in nebelhafte Gedankenschwaden und freute mich am Leben und es mit anderen Menschen zu teilen.
Aus diesen Gedanken tauche ich nun auf, um euch auf einige bevorstehende Veranstaltungen hinzuweisen, an denen ich mitwirke. Denn, um bei Seneca zu bleiben: Kurz ist das Leben, lang ist die Kunst.
Ich grüsse auch ganz herbstlich und freue mich sehr, euch zu begegnen!
Ivo
Kulturmühle Lützelflüh: WASSER AUF DIE MÜHLE
RETO BÄRTSCHI, Wangenried, Bild & Objekt
SAMUEL HESS, Hilterfingen, Fotografie
SIMON KÜBLI, Hasle-Rüegsau, Installation & Objekte
FLORIAN STREIT, Bözberg, Bild & Skulptur
Finissage: Sonntag, 6. November 2022, 14 -17 Uhr, Klangperformance, Bildbegehung mit Bleistift –
Ivo Knill liest Textassoziationen zu ausgestellten Werken um 16 Uhr.
https://www.kulturmuehle.ch/veranstaltungen/ausstellungen/
Vier Postkarten – vier mal vier Geschichten
– eine Lesung von und mitChristine Hubacher, Katharina Kilchenmann, Ivo Knill und Martin Lehmann
Sonntag, 27. November, 16 Uhr, Türöffnung ab 15.30 Uhr. Bitte bei mir per Mail anmelden, die Plätze sind begrenzt!
Zwischen den Jahren
Ein Zyklus von 5 Konzerten im Winter 2022 / 2023
Ein spartenübergreifendes Projekt von Arthur Schneiter, Bildhauer (Klangsteine) und Ernst Brunner
Mittwoch, 4. Januar 2023 19.30: Joelle Valterio und Ivo Knill schreiben und lesen Textimprovisationen zu den Klängen von Arthur Schneiter und Ernst Brunner.
Reservation und weitere Informationen: http://www.arthurschneiter.ch/agenda.html