Letzte Woche war ich für mehrere Tage im Otto Bruderer Haus in Waldstatt zum Schreiben. Ich hatte den Plan, meine Kurzgeschichten aus dem Jahr 2017 aufzubereiten. Ich wollte sie der Reihe nach ausdrucken, überarbeiten und dann bereinigt zusammenzufügen. Der Plan war gut, aber ich blieb in den Ansätzen zur Ausführung stecken. Das Netzwerk streikte, mein Notebook verlor den Kontakt zur Tastatur. Es wollte auch keinen Touchscreen mehr haben, sondern sich ganz in sich und sein Eigenleben zurückziehen. Die Geschichten, die ich las, kamen mir seltsam vor. Ich wusste nicht, wo ansetzen und verlor mich. Da sprachen wir am Tisch über Zwischenräume und den «Third-Space» als Orte des Überganges. Jetzt wurde mir klar, dass meine Geschichte in den vielen Räumen des «Dazwischen» spielen: Zwischen Leben und Tod, zwischen Fiktion und Wirklichkeit, zwischen dem Ich und dem anderen Ich. – Als ich zu sehen begann, worum es in diesen Geschichten gehen könnte, musste ich mich nur noch sinken und tragen lassen.
Jetzt bin ich wieder zuhause, der Herbst flammt, jeder Augenblick ist kostbar, besonders und bedeutend.
Die Ausstellung im Otto Bruderer-Haus in Waldstatt findet im März 2022 statt. Sie wird an allen vier Wochenenden des Monats jeweils am Freitagabend und am Samstag geöffnet sein. Sie hat das Thema «Die Gegenwart des Abwesenden» und umfasst das Fotoprojekt meines Bruders Franco Knill, eine Ausstellung von Peter Aerni, eine Performance von Joelle Valterio und Rolf Schulz, eine Lesung von Gabriele Meseth und Lesungen von mir. Die Kurzgeschichten sind Teil dieser Ausstellung. Das Programm folgt!
Die Ausstellung im Otto Bruderer Haus ist Teil der Veranstaltungsreihe, die wir mit dem nächsten «ERNST» lancieren. Das Thema der Nummer ist das Leben im Manuskript. Es ist die erste Doppelnummer in der Geschichte von «ERNST». Ich kann diese Nummer und ein Abo bei ERNST nur allerwärmstens empfehlen! https://www.ernstmagazin.com/
Der Herbst mit seinen Farben der Vergänglichkeit erinnert uns daran, dass das Leben jetzt ist. Jetzt muss man sich verwickeln und lösen, jetzt muss man steckenbleiben, jetzt muss man entschiedene Schritte vorwärts machen. Lennard, eine Figur aus den Kurzgeschichten, pinnt an seinen Kühlschrank den Leitsatz: «Es reicht nicht, alles richtig zu machen.» Einige Wochen später ergänzt er: «Anfangen zählt.» In diesem Sinne sende euch
herzliche Grüsse!
Ivo